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Wie steht die Medizin zum Tod?
Wie hat sich dieses Verhältnis über die Jahrhunderte hinweg verändert? Daniel Schäfer zeichnet die spannende Geschichte einer langen Annäherung nach. Sein Buch ist im Kern medizinhistorisch, entfaltet aber mit vielfältigen Bezügen zu Kulturgeschichte, Literatur, Ethnologie, Archäologie und Kunstgeschichte ein breites Panorama. Der zeitliche Bogen reicht von der klassischen Antike bis ins 21. Jahrhundert, der Schwerpunkt liegt auf der europäischen Gedankenwelt. Immer wieder stellt der Autor die Verbindung her zu den vielfältigen heutigen Diskussionen um Krankheit, Sterben, Pflege und Tod. Die Darstellung der Wechselwirkung von medizinischem Denken und gesellschaftlichen Einflüssen im Umgang mit dem Tod bietet nicht nur hochinteressante Einblicke in die vorherrschenden Denkweisen und Einschätzungen verschiedener Epochen, sondern schafft auch ein besseres Verständnis für die unterschiedlichen Facetten der aktuellen Debatten.
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Es gibt erstaunlich viele Berührungspunkte zwischen der heutigen Medizin und dem Tod: Ärzte versuchen ihn zu definieren oder wenigstens zu beschreiben; sie ringen um sichere Anzeichen dafür, dass er bevorsteht oder eingetreten ist. Mediziner nehmen ferner angesichts des Todes sehr unterschiedliche Rollen ein: Sie kämpfen gegen ihn, aber sie begleiten auch ihre Patienten oder helfen ihnen sogar beim Sterben. Und selbst nach dem Ableben beschäftigt sich die Heilkunde intensiv mit der Leiche, um Todesursachen exakt festzustellen, Organe für lebende Patienten zu entnehmen, die Qualität von Therapien zu überprüfen und zu verbessern oder um den wissenschaftlichen Nachwuchs aus- und weiterzubilden. Diese Vielzahl an Begegnungen zwischen Arzt und Tod wurzelt in der abendländischen Geschichte. Der historische Blick, den dieses Buch vornimmt, dokumentiert nicht nur interessante Bezüge zwischen den so unterschiedlichen Themen; er zeigt vor allem eine bahnbrechende Annäherung zwischen den beiden Antagonisten während der vergangenen Jahrhunderte und erklärt aus dem Kontext, wie es dazu kam: Wo früher Sterbende und Leichen gemieden wurden, bilden sie heute einen Fokus der Medizin. Und unter ihrem Einfluss haben sich Ursachen, Orte und Umstände des Sterbens dramatisch verändert.
Einleitung: Warum ein weiteres Buch über den Tod?- 1. Was ist der Tod?- Aristoteles und die Folgen.- Herz oder Hirn – eine uralte Streitfrage.- Körper oder Seele – was verursacht eigentlich den Tod?- Natürlich oder nicht natürlich – vom Wandel der Todesarten.- Differenzierung des Todes im 18. Jahrhundert.- Die Suche nach dem Moment: Ärzte als Spezialisten für Todesdefinitionen und -diagnosen.- Hirntod im 20. Jahrhundert – nur ein weiteres Kriterium oder eine Neudefinition?- 2 Den Tod erkennen - den Tod vermeiden.- Todeszeichen in der vormodernen Medizin.- Harnschau und Pulsfühlen - von der Prognose zur Diagnose des Todes.- Scheintoddebatten zwischen Antike und Aufklärung.- Professionalisierung der Todesfeststellung.- 3 Ärztliches Image im Umgang mit dem Tod.- Totschläger und Henker.- Kämpfer gegen den Tod.- Sterbliche: Wie Ärzte enden.- Sterbebegleiter.- Sterbehelfer.- Rollenkonflikte.- 4 Woran, wie und wo wir sterben.- Praktische Annäherungen an die Utopie der Unsterblichkeit.- Todesursachen.- Sterbeorte.- Sterberituale.- Sterben im kulturellen Wandel – die Rolle der Medizin.- 5 Nach dem Tod: Umgangsweisen mit der Leiche.- Von der Aufbahrung zum Kühlraum.- Alternativen zur Erdbestattung: Kremierung, Konservierung oder Recycling.- Leichensektionen zwischen Wissenschaft, Klinik und öffentlichem Interesse.- Wenn Leichen heilen: Von der Mumie zum Organtransplantat.
Daniel Schäfer ist Arzt, Medizinhistoriker und Professor am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität zu Köln. Schon früh begeisterten ihn sowohl Life Sciences als auch Geisteswissenschaften, deshalb studierte er Medizin und Germanistik. Eine kreative Verbindung fand sich schließlich in der Medizingeschichte, über die er seit 1995 an der Universität zu Köln lehrt und forscht. Literarische Neigungen zum Vergänglichen offenbaren bereits seine beiden Dissertationen zum Tod im Spätmittelalter (Germanische Philologie) und zum historischen Kaiserschnitt an der toten Frau (Humanmedizin). Auch die Habilitation über den ärztlichen Blick auf das Alter in der Frühen Neuzeit thematisiert die letzte Lebensphase. Seit einiger Zeit arbeitet Schäfer zu medizinischen Todeskonzepten, zur Geschichte des Gesundheitsbegriffs und über Entwürfe eines guten Alter(n)s in Geschichte und Gegenwart.


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